Roland Bock: Der frühere Ringer kämpfte gegen Stiere, Braunbären und sich selbst

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Roland Bock packt den Stier bei den Hörnern

Roland Bock packt den Stier bei den Hörnern

Foto: sportfotodienst / IMAGO

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Im Leben von Roland Bock lief so wenig nach Plan – warum sollte es bei seinem großen Fernsehauftritt anders sein?

Das ZDF-»Sportstudio« hatte 1976 die Idee, Roland Bock live kämpfen zu lassen – gegen einen Bären, genauer gesagt gegen die Braunbär-Dame Yogi. Bock hatte damals schon von Ringen auf Wrestling, oder wie es damals hieß, Catchen, umgesattelt, und »Sportstudio«-Moderator Dieter Kürten hatte Bock mitsamt Bärin Yogi eingeladen, um dem Publikum mal etwas anderes zu bieten, als ein dröges Fußballer-Interview.

Zuvor sollte das Studiopublikum durch einen Catch-Showkampf schon mal aufgewärmt werden. Aber bei dieser Nummer floss bereits so viel Blut, dass das ZDF kalte Füße bekam und Aufnahmeleiter Helmuth Bendt aus Sorge um das Tierwohl den Fight Bock gegen Bär kurzfristig absagte. Der damalige ZDF-Intendant Karl Holzamer bestellte seinen Chefredakteur Reinhard Appel zum Rapport, um zu wissen, was denn die Sportredaktion geritten habe, sich so einen Kirmesauftritt auszudenken.

Grzimek hat das abgesegnet

Dabei hatte Bock vorher sogar den berühmten Tierfilmer Bernhard Grzimek kontaktiert, ob es erlaubt sei, mit einem Bären herumzuziehen und mit ihm zu catchen. Grzimek soll das abgesegnet haben, ein Bär sei »ein natürlicher Ringer«, Grzimek bat nur darum, bei den öffentlichen Auftritten auf ein Rauchverbot zu drängen, Nikotin sei nicht gut fürs Tier.

Roland Bock im Jahr 2019

Roland Bock im Jahr 2019

Foto: Alexander Keppler / Pressefoto Baumann / picture alliance

Roland Bock, im Alter von 81 Jahren jetzt gestorben, war kein großer Star des Sports. Aber er hat in sein Leben mehr hineingepackt als viele, die berühmter waren als er. Manchmal war es zu viel. Er war Leistungssportler, Wrestler, Schauspieler, Musikveranstalter, Besitzer einer Stierkampfarena, er hat sich mit Alice Schwarzer angelegt und mit Gérard Depardieu vor der Kamera gestanden. Wer so viel macht, der kämpft auch mal mit einem Braunbären. Hauptsache, Rummel, Hauptsache, es ist was los.

Olympiateilnehmer in Mexiko

Mit einem Stier hat er es auch einmal versucht, als er den aber habe niederringen wollen, habe das Tier ihn »fünf Meter durch die Luft fliegen lassen«, wie er sich in einem Interview mit der »Zeit« 2021  erinnerte. Roland Bock hat in seinem Leben wieder und wieder versucht, den Stier bei den Hörnern zu packen. Gelungen ist das nicht immer.

Als Schwergewichtsringer nahm er 1968 an den Olympischen Spielen in Mexiko teil und wurde dort Elfter. Bock hatte das Pech, dass zu seiner Zeit auch Wilfried Dietrich in seiner Gewichtsklasse aktiv war, der »Kran von Schifferstadt«; Bock hat mehrfach gegen ihn gerungen, besiegen konnte er ihn nie.

1970 errang er im Superschwergewicht bei der EM in Ost-Berlin immerhin den Titel eines Europameisters. Schon zu den Spielen 1972 in München wurde er nicht mehr nominiert, weil er sich zuvor mit dem Präsidenten des Deutschen Ringer-Bundes überworfen hatte. Damit war seine Ringerkarriere auch vorbei.

Catcher Roland Bock in den Siebzigerjahren

Catcher Roland Bock in den Siebzigerjahren

Foto: kpa Keystone / United Archives / picture alliance

Bock zog weiter, aus dem Ringer wurde der Catcher. Bock sammelte eine bunte Wrestling-Truppe um sich und zog über Land. Um Schlagzeilen zu machen, ließ er sich immer wieder etwas Neues einfallen. Einmal inszenierte er auf dem Berliner Kurfürstendamm einen Autounfall mit zweien seiner Wrestler, die dann aus den demolierten Autos ausstiegen und sich auf offener Straße prügelten. Die »Bild«-Zeitung machte daraus einen Artikel, und Bock war wieder im Gerede.

Proteste von Alice Schwarzer

Nicht so gut kam die Idee hingegen an, Frauen oben ohne für Kämpfe zu engagieren. Als er die ersten Veranstaltungen durchzog, mit dem Slogan »Zarte Fäuste, klatschende Brüste«, formierte sich rasch Widerstand aus der Frauenbewegung, organisiert von Alice Schwarzer und ihrer gerade gegründeten Zeitschrift »Emma«. Das gab zwar Schlagzeilen, auch der SPIEGEL berichtete damals, aber das Projekt wurde finanziell ein Desaster. Die Tour wurde vorzeitig abgebrochen, Bock musste wieder etwas anderes auf die Beine stellen. »Das schlug hohe Wellen, ich hatte danach einen blöden Ruf«, sagte er.

Als Ringer hier gegen den Schweden Arne Robertsson

Als Ringer hier gegen den Schweden Arne Robertsson

Foto: sportfotodienst / WEREK / IMAGO

Bock holte den japanischen Wrestling-Superstar Antonio Inoki für eine Reihe von Schaukämpfen nach Deutschland. Inoki hatte sich zuvor allerdings bei einer Kampfposse mit Box-Ikone Muhammad Ali vor einem Fernsehweltpublikum blamiert. Danach wollte ihn niemand in Deutschland mehr sehen, Bock hatte Riesenhallen angemietet, in denen sich teilweise gerade 100 Zuschauer verloren. Der nächste Fehlschlag. Mit Folgen. Wegen Konkursverschleppung landete er im Gefängnis. Der Ringer Roland Bock hat auch immer wieder mit sich selbst gerungen.

»Hurricane Rosie« vor der Kamera

Danach versuchte er es mit der Schauspielerei, »Hurricane Rosie« hieß der Streifen mit dem aufstrebenden Gérard Depardieu, Bock spielte, natürlich, einen Catcher. Der Film gilt nicht zwingend als künstlerisch wertvoll, Bock sagte, er habe sich mit Depardieu gut verstanden, »aber die Filmwelt war mir fremd«, allein die Partys: Bock, der nie Alkohol getrunken hat, lernte eine Branche kennen, in der nie nie Alkohol getrunken wurde.

Szene aus dem Kinofilm »Hurricane Rosie«

Szene aus dem Kinofilm »Hurricane Rosie«

Foto: IFTN / United Archives / picture alliance

Also wieder weg vom Film auf ins nächste Projekt: Er kaufte eine Stierkampfarena auf Gran Canaria, ging auch damit pleite, er siedelte nach Thailand über, versuchte dort, ein Geschäft mit Malern aufzuziehen, die fotorealistische Bilder herstellten – die Kooperation mit dem deutschen Unternehmen Photo Porst scheiterte aber auch.

In Ludwigsburg gründete er in den Achtzigerjahren den Musikklub Rockfabrik, das passt, schließlich war Bocks Leben auch Rock ’n’ Roll. Der Laden wurde für die Fans der harten Musik zum Anlaufpunkt in der Region und darüber hinaus: Slayer, Motörhead, Nazareth, Subway to Sally sind dort im Laufe der Jahre aufgetreten. 2019 hat die Rockfabrik ihre Pforten geschlossen, da hatte Bock seine Anteile aber längst verkauft.

Die Rockfabrik in Ludwigsburg

Die Rockfabrik in Ludwigsburg

Foto: TBM / United Archives / picture alliance

Zuletzt lebte Bock in Stuttgart, gesundheitlich angeschlagen, verarmt. 2021 erschien seine Biografie, da gab er noch ein paar Interviews. Noch einmal wurde über Roland Bock geredet, über dieses übervolle Leben, das jetzt zu Ende ist.

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