Verglichen mit der dramatischen Nachtsitzung beim EU-Gipfel in Brüssel hätte der Termin des Kanzlers am Freitagnachmittag in Berlin eigentlich ein ruhiger sein müssen. Doch für Friedrich Merz endete die Mitgliederversammlung der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit einer schweren Niederlage. Die frühere Parteichefin und Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wurde mit 28 Stimmen zur neuen Vorsitzenden der Stiftung gewählt. Der Kandidat von Merz, Unionsfraktionsvize Günter Krings, fiel mit 21 Stimmen durch.
Schon seit Wochen war klar: Wenn die Wahl der neuen KAS-Spitze nicht nach seinen Wünschen verläuft, erwartet den Kanzler ein unangenehmes Déjà-vu. Im Juli hatte die gescheitere Wahl neuer Verfassungsrichter am letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause die schwarz-rote Koalition erschüttert und Merz schwach aussehen lassen. Nun geht Merz schwer angeschlagen in die Weihnachtsferien. Nach dem Willen des Kanzlers hätte unbedingt Krings Nachfolger von Norbert Lammert als Vorsitzender der Stiftung werden sollen. Delikat ist der Sieg der 63-jährigen Saarländerin für Merz auch deshalb, weil er bei seiner ersten Kandidatur für den CDU-Vorsitz Ende 2018 gegen Kramp-Karrenbauer verloren hatte.
Die Niederlage weckt nach dem offen ausgetragenen parteiinternen Streit über das Rentenpaket der Bundesregierung einmal mehr Zweifel an den Führungsqualitäten des Kanzlers. Dabei steht die Parteistiftung, deren Aufgabe die weltweite Förderung der freiheitlichen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft ist, normalerweise nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Merz wird angelastet, sie jetzt durch ungeschicktes Gebaren in innerparteiliche Querelen verwickelt zu haben.
Mitglieder der Adenauer-Stiftung hatten sich in den vergangenen Wochen in Gesprächen fassungslos über das ihrer Ansicht nach dilettantische Verhalten von Merz gezeigt. Nachdem der bisherige Vorsitzende Lammert im September mitgeteilt hatte, dass er nicht erneut antreten werde, habe man auf einen Vorschlag von Merz gewartet. Doch der sei im September nicht gekommen. Auch im Oktober habe man vom CDU-Chef nichts gehört. Erst am 13. November habe er Krings in einem Brief an Lammert als Vorsitzenden vorgeschlagen. Da hatte Kramp-Karrenbauer längst ihre Bereitschaft zur Kandidatur erklärt. Es kam, erstmals in der Geschichte der Stiftung, zur Kampfkandidatur.

Hätte Merz schneller gehandelt, hätte Kramp-Karrenbauer keine Lücke gesehen und wäre vermutlich gar nicht angetreten, heißt es bei KAS-Mitgliedern. Der CDU-Chef habe sich und seinen Kandidaten also selbst in die unangenehme Lage gebracht. Außerdem wurde beklagt, wie oberflächlich Merz für Krings geworben hatte. In seinem Brief an Lammert hatte der Kanzler den Namen von Krings nicht nur konsequent falsch geschrieben („Günther“ statt „Günter“). Auch die inhaltliche Begründung für den 56-Jährigen war schwach. Merz hatte lediglich erklärt, Krings verfüge „national wie international über umfangreiche Erfahrungen in vielen Bereichen der Politik und Wirtschaft“. Er hat das aber mit keinem einzigen Satz unterfüttert, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass Krings Stipendiat der Stiftung gewesen sei und er den Vorsitz „mit großem Engagement ausfüllen“ werde.
Unter den Mitgliedern der Adenauer-Stiftung gab es aber auch erheblichen Unmut darüber, dass Krings seine Funktion als Unionsfraktionsvize nicht niedergelegt hat und sein Bundestagsmandat auch im Fall seiner Wahl behalten wollte. Das wurde als mangelnder Respekt vor der KAS und deren Vorsitz wahrgenommen. Doch Merz lobte die Verquickung von Ämtern im Bundestag und der KAS sogar. In seinem Brief an Lammert schrieb er über Krings: „Die Beibehaltung seines Bundestagsmandates sehe ich im Falle seiner Wahl als weiteren Vorteil in seiner Person zum Nutzen der Stiftung und ihres Zugangs zu wichtigen Themen und Institutionen unseres Landes.“
Unabhängig davon wurde es in der Stiftung nicht als glücklich empfunden, dass sich Merz mit Krings für einen weiteren Mann aus Nordrhein-Westfalen ausgesprochen hat. Und das offenkundig vor allem deshalb, weil Krings bei der Regierungsbildung nicht zum Zug gekommen war – eben weil es schon so viele Männer aus NRW in Spitzenfunktionen gibt: Neben CDU-Chef und Bundeskanzler Merz kommen auch Unionsfraktionschef Jens Spahn und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann aus dem Bundesland. Auch Mark Speich, der Generalsekretär der Adenauer-Stiftung, stammt aus Nordrhein-Westfalen. Eine Frau, egal aus welchem Bundesland, hat es an der Spitze der KAS dagegen bislang nicht gegeben.
Merz muss nun geschwächt in die Weihnachtspause gehen. Zumal schon der EU-Gipfel in Brüssel nicht wirklich zur Zufriedenheit des Kanzlers verlaufen ist. Merz konnte sich nicht mit seiner Forderung durchsetzen, das Freihandelsabkommen mit Lateinamerika (Mercosur) endlich unterschriftsreif zu machen. Und für die Finanzierung der Ukraine wählte die EU einen Plan B, den Merz ursprünglich nicht gewollt hatte.









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