Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.
Wichtige Updates
Justizministerin Hubig plant Speicherung von IP-Adressen für drei Monate
Bundesrat stimmt Wehrdienst, schärferer Migrationspolitik, Steuerentlastungen und Lachgas-Verbot zu
Bundesrat billigt Rentenpaket
Abgeordnete lehnen vom BSW geforderte Neuauszählung der Bundestagswahl ab
Bericht: Dobrindt will Aufnahme von Afghanen nach Deutschland schnell abschließen
Günther für bundesweite Zuckersteuer
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) drängt auf die Einführung einer bundesweiten Steuer für besonders zuckerhaltige Lebensmittel. Sein Bundesland werde zu Beginn des kommenden Jahres eine entsprechende Initiative im Bundesrat starten, kündigte Günther im Interview mit der Welt an. Auch auf dem kommenden Bundesparteitag der CDU im Februar soll das Thema eingebracht werden.
„Eine Zuckersteuer ist politisch und ökonomisch längst geboten, weil zu starker Zuckerkonsum erhebliche gesundheitliche Probleme und damit auch enorme gesellschaftliche Kosten verursacht“, erklärte Günther. Ohne eine staatliche Regulierung sei eine Beschränkung des Zuckerkonsums aus seiner Sicht nicht zu erreichen.
Auch mehrere Verbraucher- und Gesundheitsorganisationen haben bereits eine Zucker- oder Limo-Steuer nach dem Vorbild Großbritanniens gefordert. Hersteller von zuckerhaltigen Softdrinks zahlen dort abhängig vom Zuckergehalt pro Liter eine Steuer von umgerechnet 21 Cent bei fünf bis acht Gramm Zucker auf 100 Milliliter oder 27 Cent bei über acht Gramm Zucker auf 100 Milliliter. Nach Angaben der Organisation Foodwatch hat die Abgabe bereits dazu geführt, dass Getränkehersteller in Großbritannien den Zuckergehalt in ihren Produkten deutlich gesenkt hätten.
Seit Wochen gibt es überall Süßes, Süßes, Süßes. Noch verheimlicht unsere Kolumnistin den eigenen Lebkuchen-Zimtstern-Konsum vor ihrer Tochter. Andererseits: Haben gute Vorbilder jemals was gebracht?
Justizministerin Hubig plant Speicherung von IP-Adressen für drei Monate
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will, das Internetanbieter IP-Adressen künftig drei Monate speichern, wie aus einem Gesetzesentwurf hervorgeht. „Bei Kinderpornografie, Online-Betrug und strafbarem Hass im Netz gilt bisher: Täter kommen viel zu oft davon. Das wollen wir ändern“, sagte Hubig der Bild am Sonntag, die zuerst über den Gesetzesentwurf berichtet hatte. IP-Adressen seien oft die einzigen Spuren, die Täter im digitalen Raum hinterlassen, sagte die Ministerin der Zeitung. Die IP-Adressen-Speicherung soll Ermittlern helfen, digitale Spuren später noch verfolgen zu können.
Die IP-Adresse ist quasi die Anschrift eines Computers im Internet, mit der dieser identifiziert werden kann. Sie wird vorübergehend vergeben. Die Internetanbieter sollen nun vorsorglich speichern, welchem Internetanschluss eine IP-Adresse zu einem fraglichen Zeitpunkt zugeordnet war, so das Justizministerium. Gespeichert werden sollen auch weitere Daten, die für eine eindeutige Zuordnung der IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber nötig sind.
Das Papier soll am Freitag zur Abstimmung an die übrigen Ministerien verschickt worden sein. Im Frühjahr soll das Gesetz im Bundestag beschlossen werden. Schon im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD die dreimonatige Speicherung der IP-Adressen vereinbart. Wegen rechtlicher Unsicherheiten war die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung seit 2017 nicht mehr genutzt worden. Die Speicherung ist seit Langem umstritten.
Kritiker fürchten eine Aushöhlung von Grundrechten. Die Grünen halten die Pläne für rechtswidrig. „Union und SPD planen offenkundig den Wiedereinstieg in die anlasslose Massenüberwachung im Internet“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Helge Limburg dem Stern. Die Innenpolitik-Expertin der Linken, Clara Bünger, sagte der dpa, dass das Problem gar nicht fehlende Daten, sondern das Fehlen gut ausgebildeter Ermittler und digitaler Forensik seien. „Die Vertraulichkeit von Kommunikation bleibt strikt gewahrt“, betont hingegen Hubig. „Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile sind ausgeschlossen.“ Die Gewerkschaft der Polizei begrüßt den Gesetzentwurf, hält die dreimonatige Frist aber für zu kurz. FDP-Chef Christian Dürr, dessen Partei schon 2017 gegen eine Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen war, erneuerte die Kritik. „Gegen jeden Bürger ohne Anlass zu ermitteln, ist eines Rechtsstaats nicht würdig“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
Auswärtiges Amt: Mehr als 100 000 Visa zum Familiennachzug erteilt
Trotz deutlicher Verschärfungen der schwarz-roten Bundesregierung wurden in diesem Jahr mehr als 100 000 Visa zum Familiennachzug erteilt. Das geht aus Zahlen des Auswärtigen Amts hervor, über die die Welt am Sonntag berichtete. Demnach wurden bis Ende November allein bezogen auf die fünf Staatsangehörigkeiten mit den meisten Anträgen 101 756 Visa bewilligt. Dazu gehörten Menschen aus der Türkei (14 907) und Syrien (13 148), aus Indien (9 286) sowie Menschen aus Kosovo (7 143) und aus Albanien (4 426).
In etwas mehr als einem Drittel der Fälle (37 227) ging es um Visa für den Nachzug von Kindern zu ihren Eltern. Etwa 3 500 Visa wurden wiederum erteilt, damit Eltern zu ihren Kindern ziehen können. Am häufigsten wurden mit 44 426 Fällen Visa für Ehepartner von in Deutschland lebenden Ausländern vergeben. Weitere 16 298 Visa bewilligt, damit jemand zu einem Ehepartner mit deutschem Pass ziehen konnte.
Das Nachzugsrecht gilt meist nur für die Kernfamilie, also Ehepartner und minderjährige Kinder. Ausnahmen gibt es für wenige Härtefälle und seit einer Ampel-Reform im März 2024 für Eltern und Schwiegereltern von Hochqualifizierten und Fachkräften, die den Lebensunterhalt der ganzen Familie eigenständig sichern können.
Im Juli hatte die Bundesregierung den Familiennachzug zu Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus – anders als bei anerkannten Flüchtlingen – für zwei Jahre ausgesetzt. Nur in „Härtefällen“ sollen subsidiär Schutzberechtigte, zu denen viele Menschen aus Syrien fallen, noch Ehepartner, minderjährige Kinder und im Fall unbegleiteter Minderjährige die Eltern nachholen dürfen.
Bundesrat stimmt Wehrdienst, schärferer Migrationspolitik, Steuerentlastungen und Lachgas-Verbot zu
Ein ganzer Schwung Gesetze liegt der Länderkammer am heutigen Freitag vor. Darunter auch einige, die umstritten waren. Folgende Gesetze hat der Bundesrat nun nach dem Bundestag ebenfalls gebilligt:
- Den neuen Wehrdienst: Ab Januar 2026 erhalten alle 18-Jährigen ab dem Jahrgang 2008 ein Informationsschreiben der Bundeswehr. Männer sind dann verpflichtet, einen Fragebogen auszufüllen, der unter anderem ihr Interesse an einem Dienst bei der Bundeswehr abfragt. Für Frauen ist das Ausfüllen des Fragebogens freiwillig.
- Verschärfungen in der Asyl- und Integrationspolitik: Die Bundesregierung kann für schnellere Asylverfahren und leichtere Abschiebungen künftig ohne Zustimmung der Bundesländer sogenannte sichere Herkunftsstaaten bestimmen. Die Pflichtverteidigung durch einen Anwalt in Verfahren zur Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam wird abgeschafft.
- Steuerentlastungen für Berufspendler und die Gastronomie: Das Gesetzespaket umfasst jährliche Entlastungen von knapp fünf Milliarden Euro. Es soll zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. Es sieht auch Vergünstigungen für Gewerkschaftsbeiträge, Parteispenden und Pauschalen für das Ehrenamt vor.
- Lachgas, das zusehends als Partydroge kursiert, ist künftig für Kinder und Jugendliche in Deutschland verboten. Auch die Verfügbarkeit chemischer K.o-Tropfen, die als „Vergewaltigungsdroge“ eingesetzt werden, wird künftig beschränkt.
Bundesrat billigt Rentenpaket
Der Bundesrat stimmte am Freitag dem von der Bundesregierung beschlossenen Rentenpaket zu. Das Gesetz kann somit nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten am 1. Januar in Kraft treten. Die Bundesländer billigten den Plan, der eine sogenannte Haltelinie für das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent vorsieht. Eine Haltelinie beim Rentenniveau galt bisher nur bis zu diesem Jahr. Außerdem stimmte der Bundesrat zu, die Mütterrente auszuweiten, also die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung.
Darüber hinaus bestätigte die Länderkammer den Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge. Die Betriebsrente bleibt freiwillig, soll aber attraktiver werden. Vor allem bei kleineren Unternehmen sowie Geringverdienern soll sie ausgebaut werden. Zuletzt wurde auch die Einführung der Aktivrente durch die Bundesländer gebilligt, wodurch Senioren ab kommenden Jahr bis 2000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen können. Laut der Regierung könnten 168 000 Menschen in Rente arbeiten. Das Rentenpaket war innerhalb der Koalition von CDU, CSU und SPD kontrovers diskutiert worden. Erst vor zwei Wochen stimmte der Bundestag schließlich zu.
Bundestag billigt Gesetz für stabile Kassenbeiträge
Die Beiträge zur Krankenkasse für Versicherte sollen im kommenden Jahr nicht zu stark steigen. Der Bundestag hat einem entsprechenden Sparpaket zugestimmt.
Das neue Sparpaket sieht vor, die Krankenkassenbeiträge stabil zu halten, indem es vor allem die Kosten von Krankenhäusern begrenzt. Krankenhäuser dürften demnach im Jahr 2026 ihre Vergütungen nur so stark erhöhen, wie ihre tatsächlichen Kosten steigen. Dadurch soll der Staat bis zu 1,8 Milliarden Euro einsparen, was ein Großteil des Sparpakets von zwei Milliarden Euro ausmacht.
Dazu musste eine Änderung an einem ursprünglichen Gesetz beschlossen werden. Die Änderung grenzt die Ausgabenbremse bei den Krankenhäusern nur auf 2026 ein und schreibt sie nicht für Folgejahre fort. Darauf hatten sich Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss geeinigt, nachdem die Länderkammer das zunächst vom Parlament beschlossene Spargesetz im November gestoppt hatte. Mit dem Beschluss des Bundestags ist die erste Hürde nun genommen. Der Bundesrat soll den Kompromiss noch heute in seiner letzten Sitzung des Jahres billigen.
Krankenkassen und Opposition warnen, dass auch mit dem Sparpaket Zusatzbeiträge steigen könnten. Viele Kassen müssten nämlich ihre finanziellen Rücklagen auffüllen – das schreibt das Gesetz vor. Wie hoch die Zusatzbeiträge 2026 sind, müssen die Kassen in diesen Tagen festlegen. Sie werden je nach Finanzlage der Kasse ermittelt. Im Schnitt liegen die Zusatzbeiträge derzeit bei 2,9 Prozent. Das Gesundheitsministerium hatte dieses Niveau auch als Orientierungsmarke für das kommende Jahr bekanntgegeben.
Der gesamte Beitrag zur Krankenversicherung, den sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen, umfasst daneben den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent. Bei Anhebungen des Zusatzbeitrags gibt es ein Sonderkündigungsrecht für Mitglieder. Erst Anfang 2025 hatte es eine Welle kräftiger Erhöhungen gegeben.
Abgeordnete lehnen vom BSW geforderte Neuauszählung der Bundestagswahl ab
Der Bundestag hat die vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geforderte Neuauszählung der Bundestagswahl endgültig abgelehnt. Mit großer Mehrheit folgten die Abgeordneten am Abend einer entsprechenden Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses. Das BSW, das bei der Wahl am 23. Februar äußerst knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, wird nun aller Voraussicht nach vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Laut amtlichem Endergebnis hatte das BSW bei der Wahl 4,981 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Der Einzug in den Bundestag wurde nur um 9529 Stimmen verpasst. Wegen möglicher Zählfehler hatte das BSW eine erneute Auszählung verlangt. Der Bundestag hielt den Einspruch der Partei jedoch für unbegründet. Der Justiziar der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, betonte: „Es gab keine Wahlfehler, es gab keine Zählfehler, die eine Neuauszählung begründen könnten.“ Allen Hinweisen auf Verwechslungen sei nachgegangen und die Ergebnisse bei Bedarf längst korrigiert worden. Einzig die AfD argumentierte, nur mit einer Nachzählung lasse sich jede Ungewissheit ausräumen.
BSW-Gründerin Wagenknecht erneuerte ihre Kritik am Verfahren: „Die selbst ernannte demokratische Mitte zeigt ihr zutiefst undemokratisches Gesicht.“ Der Parteivorsitzende Fabio De Masi ergänzte: „Deutschland hat womöglich einen Kanzler ohne legitime Mehrheit. Nur noch Karlsruhe kann jetzt unsere Verfassung schützen.“
Sollte das BSW vor Gericht tatsächlich eine Neuauszählung durchsetzen und doch noch den Einzug in den Bundestag schaffen, hätte die schwarz-rote Koalition von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) keine eigene Mehrheit mehr. Vor diesem Hintergrund stellte der AfD-Abgeordnete Fabian Jacobi infrage, ob die Regierung überhaupt legitimerweise im Amt ist.
Bericht: Dobrindt will Aufnahme von Afghanen nach Deutschland schnell abschließen
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will möglichst bis Jahresende 535 Afghaninnen und Afghanen mit einer rechtsverbindlichen Aufnahmezusage aus Pakistan nach Deutschland holen. Von diesen befänden sich 460 Menschen im sogenannten Bundesaufnahmeprogramm und 75 im Ortskräfteprogramm, sagte der Minister dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Deutschland habe ein Interesse daran, dass die Aufnahme der Menschen „möglichst schnell abgearbeitet wird“. Man sei darüber mit den pakistanischen Behörden im Austausch. „Wir wollen das so weit wie möglich im Dezember abschließen“, sagte Dobrindt. „Es kann aber auch sein, dass es noch einzelne Fälle gibt, die wir im neuen Jahr bearbeiten müssen.“
Pakistan hat angekündigt, die verbliebenen Afghaninnen und Afghanen aus deutschen Aufnahmeprogrammen ab dem Januar nach Afghanistan abzuschieben. Zuletzt sind am vergangenen Dienstag mit einem von der Bundesregierung organisierten Charterflug 160 Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusagen von Pakistan nach Berlin gekommen.
Rund 650 Menschen aus Afghanistan, die Zusagen über eine „Menschenrechtsliste“ erhalten hatten, bekamen vergangene Woche hingegen eine endgültige Absage der Einreise von der Bundesregierung mit der Begründung, „dass kein politisches Interesse zur Aufnahme mehr vorliegt“.
Merz richtet seine Botschaften nicht nur an den Bundestag
Der Bundeskanzler spricht nicht gerade mitreißend, er gestikuliert nicht, aber er setzt seinen Punkt: Entschlossenheit. Jedenfalls lassen sich aus seiner Regierungserklärung sowohl in Washington als auch in Moskau Schlüsse ziehen – und viel spricht dafür, dass Friedrich Merz‘ Botschaften mindestens so sehr nach dort gerichtet waren wie an den Bundestag.
Deutschland sei „kein Spielball der Großmächte“ sagt er, auch mit Blick auf die Zollpolitik Donald Trumps und den zunehmenden Rückzug der USA aus globaler Verantwortung. Der Druck auf Russlands Präsident Wladimir Putin müsse „offenkundig“ noch weiter steigen – etwa durch den Zugriff auf russisches Staatsvermögen, über das nun der Europäische Rat in Brüssel verhandeln muss. Deutschland dürfe nicht zum Opfer der internationalen Umbrüche werden. Die Scholz'sche „Zeitenwende“ übersetzt er als „Epochenbruch“, um sich von seinem Vorgänger abzusetzen, aber geschenkt: Berlin bleibt sich und der Ukraine treu.
Merz reist noch an diesem Mittwoch zum EU-Gipfel nach Brüssel. Die Nutzung „des russischen Staatsvermögens“ ist dort die wohl heikelste Frage, über die Merz mit seinen Kollegen wird verhandeln müssen – letztlich gehe es dabei um das Durchhaltevermögen der Ukraine, wirbt Merz. Mindestens zwei Jahre Luft könne dieses Geld Kiew geben. Und das wiederum soll Moskau zeigen, dass eine Fortsetzung dieses Krieges sinnlos ist. Es ist eine Rede voller Dialektik: Das zusätzliche Geld solle den Krieg nicht verlängern, sondern so schnell wie möglich beenden, argumentiert Merz. Und zwar so, dass die europäische Friedensordnung danach nicht in Trümmern liegt.
Das ist keine Ruckrede, aber Merz will offensichtlich den Schwung der Ukraine-Gespräche mitnehmen. „Wir wollen und wir müssen ein handelnder Akteur bleiben“, sagt er. „Das können wir auch.“ Die großen Baustellen nennt er aber gleich auch mit: Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit, das seien die großen „strategischen Herausforderungen“, vor denen Europa stehe. Leider keine, die sich leicht bewältigen lassen. Richtig ist dieser Befund dennoch.
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Spahn teilt gegen AfD aus
Unionsfraktionschef Jens Spahn sagt, Europa habe "eine Stärke, die wir zu vergessen drohten", nun aber, angesichts der Bedrohung durch Russland würde man sich darauf besinnen. Deutschland im Besonderen. Die Bundesregierung baue die Bundeswehr zur "stärksten konventionellen Armee Europas" aus.
Leidenschaftlich wird er bei der AfD. Es sei doch "vernünftig", die "Mittel des Aggressors zu nutzen", um die Ukraine zu unterstützen, statt den Bundeshaushalt zu belasten. Es wäre ein Signal gegenüber Putin, sagt er, der nicht mehr fürchte, als dass sein Geld in die Ukraine fließe. Die AfD dürfe nicht glauben, dass der "fünften Kolonne Putins" jemals mit Respekt begegnet würde. Die AfD könne sich nicht entscheiden, zwischen dem "Vasallentum zu Putin" und "Groupie-Selfietum in New York". Damit spielt er auf die Reise der AfD-Abgeordneten in die USA an.
Ohnehin müssten die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla sich diese Frage gefallen lassen: Dem AfD-Abgeordneten Rüdiger Lucassen werde Redeverbot erteilt, weil er für die Wehrpflicht sei und das dem thüringischen AfD-Chef Björn Höcke nicht gefalle: "Wer hat in Ihrer Fraktion eigentlich das Sagen?", fragt Spahn, "Sie oder der Säulenheilige Höcke?"
Doch Spahn wäre nicht Spahn, wenn er sich nicht auch an der Linken abarbeiten würde. Denn auch "die radikale Linke" könne mit Europa nichts anfangen. Großer Unmut aus den Reihen der Linken im Bundestag. "Ja, da müssen Sie durch", antwortet Spahn darauf. Wer sich vom antisemitischen Mob nicht abgrenze, nehme Terrorangriffe wie Sydney billigend in Kauf. "Unverschämtheit!“, ruft ein Abgeordneter.
Grünen-Politikerin Dröge wirft Merz Gleichgültigkeit bei Umweltpolitik vor
Für die Grünen tritt Katharina Dröge ans Pult, mit einer richtig grünen Rede. Nur am Anfang spricht sie über die Ukraine, dann nimmt sie Kanzler Merz wegen seiner Umweltpolitik ins Gebet. Keinen einzigen Vorstoß für Klima oder Umwelt habe er bisher gemacht, stattdessen werde die Umweltpolitik von ihm gehäckselt. „Spüren Sie diese Gleichgültigkeit?“, ruft Dröge. „Mich macht das traurig.“ Und um ihm wirklich zuzusetzen, hält sie ihm noch Angela Merkel vor: „Wir schaffen das, das wäre ein Satz für einen Kanzler. Statt nach Brüssel „Bettelbriefe“ für Verbrennermotoren zu schreiben, solle er „einfach mal die Ärmel hochkrempeln für die Elektromobilität“, verlangt Dröge. Wobei Merkel auch immer eine Alliierte des Verbrenners war.
Miersch zum Einsatz deutscher Soldaten: „Wir schließen hier nichts aus“
Die Koalition präsentiert sich in seltener Einheit, an diesem Nachmittag, etwa in Person von SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. „Fest steht, dass wir an Ihrer Seite stehen“, sagt er an Kanzler Friedrich Merz gerichtet. „Ausdrücklich“ dankt er Merz für seine diplomatischen Bemühungen, für die Verhandlungen in Brüssel wünscht er „viel Kraft und Erfolg“. Die Ukraine könne sich auf die große Koalition verlassen. Alles Weitere müsse dann der Bundestag beraten – etwa die Frage, „wie, wann und wo“ auch deutsche Soldaten für die Sicherung des Friedens nötig werden könnten. Wenn es denn so weit kommt. „Wir schließen hier nichts aus“, sagt Miersch.
Chrupalla wirft Bundesregierung vor, "Öl ins Feuer dieses Krieges" zu gießen
AfD-Chef Tino Chrupalla sagt, die Verhandlungen für Frieden seien genau das, was die AfD seit 2022 immer wieder fordere. Die AfD ist dagegen, das Staatsvermögen Russlands zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen. "Allein diese Ankündigung gießt weiteres Öl ins Feuer dieses Krieges", sagt er. Die Bundesregierung führe Deutschland "mutwillig in einen Konflikt mit Russland". Auch der mögliche Einsatz einer multinationalen Truppe nach einem Waffenstillstand sieht er als Teil einer weiteren "Eskalationsspirale". Merz wolle "Optionen" schaffen, den "Krieg zu verlängern", sagt er - als habe nicht Russland den Krieg begonnen. Genau diese Aussage der AfD hatte Merz allerdings vorweggenommen, als er sagte, diese Mittel sollten nutzbar gemacht werden, "nicht um den Krieg zu verlängern, sondern um ihn zu beenden".
Russisches Vermögen nutzen: „Nicht, um den Krieg zu verlängern, sondern um ihn zu beenden“
Bundeskanzler Friedrich Merz nutzt die Regierungserklärung, um Deutschlands neue Rolle vor allem in Europa zu erklären. Aus der „vormaligen Weltordnung“ werde zunehmend eine „Weltunordnung“. Er habe das als „Epochenbruch“ bezeichnet, aber vielleicht gebe es für diese historischen Verschiebungen keinen „unbestreitbar feststehenden Begriff“.
Merz sucht dennoch Worte dafür: Deutschland dürfe nicht dabei zusehen, wie die Welt neu geordnet werde. „Wir sind kein Spielball von Großmächten“, sagt er. Es brauche Deutschland als handelnden und durchsetzungsfähigen Akteur. „Das können wir auch“, sagt Merz. Deutschland sei Europa diese neue Ordnung schuldig.
Vor allem mit Blick auf den anstehenden EU-Gipfel sagt Merz, Deutschland könne „nur so stark sein“, wie „auch Europa stark ist“. Dafür brauche es ein „sicheres Europa“, ein „wettbewerbsfähiges Europa“, ein „handlungsfähiges Europa“. „Untrennbar“ sei die europäische Sicherheit mit der Sicherheit der Ukraine verbunden, „un-trenn-bar“, konstatiert Merz.
Dafür brauche es Diplomatie. „Meine Damen und Herren, mehr Diplomatie als in den letzten Tagen und Stunden hier aus Berlin geht nicht“, sagt er. Doch nur mit Diplomatie lasse sich der Krieg nicht beenden. Auch deswegen müssten die Mittel des russischen Staatsvermögens, die in Europa eingefroren sind, nutzbar gemacht werden. „Nicht, um den Krieg zu verlängern, sondern um ihn zu beenden“, sagt er. Dafür werde er auch bei den skeptischen Belgiern beim EU-Gipfel werben.
Merz laviert beim Thema Migration
Die Grünen-Abgeordnete Agniezska Brugger möchte gegen Ende der Fragerunde von Friedrich Merz wissen, ob Deutschland zu seinem Wort stehe, die verbleibenden afghanischen Ortskräfte, die in Pakistan auf ein Visum warten, tatsächlich nach Deutschland zu holen.
Merz sagt, er habe volles Vertrauen in seinen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Trotzdem, Dobrindt wisse: Er, Merz, wünsche sich, dass Deutschland sich an sein Wort halte – wenn es denn rechtssichere Aufnahmezusagen gebe. Die Zahl von Rückführungen wolle er aber trotzdem erhöhen. Auch nach Afghanistan, betont Merz auf die Frage des CDU-Innenpolitikers Alexander Throm. Gestern erst seien Straftäter dorthin abgeschoben worden.
Das sind die neuen Härten der EU gegen Flüchtlinge: Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen (SZ Plus):










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