OLG München bestätigt: Wenn ein Künstler die Urheberschaft mit einem Plakatmaler teilen muss

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Nun ist es tatsächlich passiert: Der Berliner Kinoplakatmaler Götz Valien hat sich gegen den in Köln ansässigen Nachlass des 1997 verstorbenen Künstlers Martin Kippenberger durchgesetzt. Schon 2023 hatte das Landgericht München entschieden, dass Valien als Miturheber der zwei mit „Paris Bar“ betitelten Gemälde von 1992 und 1993 anerkannt werden muss. In zweiter Instanz schloss sich jetzt das Oberlandesgericht dieser Entscheidung an. Das Urteil ist umstritten und kann gravierende Folgen für den Kunstbetrieb haben.

Nach dem bereits Anfang der Achtzigerjahre von Kippenberger entwickelten Konzept „Lieber Maler, male mir“ übergab der Künstler 1991 der Firma Werner-Werbung in Berlin eine großformatige Farbfotografie, die in ein fast vier Meter breites Acrylgemälde auf Leinwand detailgetreu übertragen werden sollte. Die Aufnahme zeigt den Raum der berühmten Paris Bar in Berlin mit gedeckten Tischen und einer von Kippenberger arrangierten Präsentation von Bildern befreundeter Künstler aus seiner eigenen Sammlung. Der Ausführende sowohl der ersten als auch der zweiten Gemäldeversion war Götz Valien, mit dem Kippenberger keinen direkten Kontakt hatte. Konzeptionell waren bei dem Auftrag jedoch Motiv, Technik, Materialien, Größe und Stil klar vorgegeben.

Dass ein Künstler die Ausführung eines Werks auf Grundlage eines Entwurfs oder Konzepts an einen Assistenten oder Handwerker delegiert, findet sich bei druckgrafischen und plastischen Arbeiten, mitunter auch bei Gemälden, im 20. und 21. Jahrhundert häufig. Die Kunstgeschichte kennt solche Fälle etwa bei Marcel Duchamp, László Moholy-Nagy, John Baldessari, Jeff Koons und Takashi Murakami. Künstler müssen ihre Arbeiten also nicht unbedingt eigenhändig anfertigen, um als deren Schöpfer zu gelten.

Teil des Konzepts von Kippenbergers Gemälden

Götz Valien, der die beiden „Paris Bar“-Gemälde ausgeführt hatte, verklagte jedoch 2022 den Estate of Martin Kippenberger, da er der Ansicht ist, dass er als Miturheber genannt werden müsse und ihm nicht bloß ein Gehilfenstatus zukomme. Der Nachlass und dessen Rechtsanwältin Friederike Gräfin von Brühl gehen hingegen davon aus, dass die Arbeit von Valien eine nicht schöpferische, rein handwerkliche Leistung, ein Abmalen der Fotovorlage ohne nennenswerten kreativen Anteil sei. Daraus könne kein Anspruch auf die Anerkennung einer Miturheberschaft abgeleitet werden. Denn der fotorealistische Stil, in dem die Gemälde auftragsgemäß ausgeführt wurden, habe eine individuelle Gestaltung und einen persönlichen Pinselduktus im Sinne einer eigenen Handschrift verhindert. Peter Raue als Rechtsanwalt von Götz Valien argumentiert hingegen, dass mehrere motivische Abweichungen im Vergleich zur Fotovorlage durchaus zu sehen seien und dass der Maler somit einen eigenen schöpferischen Beitrag zur Entstehung der Werke geleistet habe. In Raues Augen rechtfertigt Valiens Tätigkeit, ihn als Miturheber einzuordnen.

Das Oberlandesgericht übernahm in seinem Urteilsspruch diese Auffassung, was deutlich macht, wie praxisfern die Rechtsprechung mitunter ist, wenn es um den Kunstbetrieb geht. Es gehört zum Konzept von Kippenbergers Gemälden, sie von fremder Hand ausführen zu lassen, und dies sollte auch Erwähnung finden, doch kaum ein Kunsthistoriker würde auf die Idee kommen, Valien deshalb eine schöpferisch relevante Miturheberschaft einzuräumen. In der Kunstgeschichtsschreibung wird sich die Meinung der drei Münchner Richter nicht durchsetzen.

Aussicht auf Adelung

Für den Kinoplakatmaler impliziert das Urteil trotzdem, dass er nun ein Recht auf Anerkennung seiner Miturheberschaft hat. Bei jeder Reproduktion der Werke etwa in einem Buch oder Ausstellungskatalog müssen beide Personen namentlich genannt werden, da die zwei Gemälde laut dem Urteil „persönliche geistige Schöpfungen“ nicht nur Kippenbergers, sondern auch Valiens sind.

Wichtiger ist die Frage, welche Folgen die Entscheidung des Oberlandesgerichts für den Kunstbetrieb haben kann. Das Urteil hat das Potential eines Präzedenzfalls, da nun jeder Drucker, Bronzegießer und Atelierassistent auf die Idee kommen könnte, durch die Teilhabe an der Produktion einer künstlerischen Arbeit ein Miturheberrecht mit allen damit verbundenen Ansprüchen zu haben. Auf die Gerichte kann eine Flut an Verfahren zukommen, denn welcher Auftragnehmer möchte seine handwerkliche Tätigkeit nicht gerne zur eigenschöpferischen Leistung geadelt sehen? Künstler und Künstlerinnen, die weiterhin auf ihr alleiniges Urheberrecht Wert legen, werden ihre Arbeiten in Zukunft nur noch dadurch absichern können, indem sie sich durch Verträge vor solchen übergriffigen Begehrlichkeiten schützen.

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