Bekannt geblieben ist er als der Verfasser des populären Weihnachtsliedes „O du fröhliche“. Als Johannes Daniel Falk es 1816 verfasste, trug es den Titel „Allerdreifeiertagslied“, denn die drei Strophen gelten im Original Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Ein sizilianisches Schifferlied, an die Jungfrau Maria gerichtet, aus Herders Liedersammlung „Stimmen der Völker“ hat wohl als Anregung gedient, doch zum Weihnachtslied wurde es erst durch die Bearbeitung der zweiten und dritten Strophe durch einen Gehilfen Falks.
Der Autor, 1768 als Sohn eines Perückenmachers in Danzig geboren, wandte sich nach dem Studium in Halle der Literatur, insbesondere dem satirischen und journalistischen Schreiben zu. Seit 1797 wohnte er mit seiner Familie in Weimar, wo er von Wieland und Herder gefördert wurde, sich mit Jean Paul befreundete und später eine Zeit lang engere Verbindung zu Goethe unterhielt. Das Buch „Goethe aus näherem persönlichen Umgange dargestellt“, das erst nach dessen Tod erscheinen sollte, wurde weithin beachtet und spielte als ebenso frühes wie in mancherlei Hinsicht authentisches Porträt eine gewichtige Rolle.
Aber Falks Interesse verlagerte sich immer stärker in den Bereich des Karitativen und der Pädagogik. Er wurde zum Mitbegründer der „Gesellschaft der Freunde in der Not“, die als Hilfswerk für entwurzelte Kinder und Jugendliche gedacht war. Durch Subskription seiner Werke, durch Spenden und durch die Arbeit der Zöglinge konnte das Projekt finanziert werden, das schließlich im Lutherhof als Kinderheim, als Falksches Institut, etabliert wurde. Selbst am Vorbild Johann Heinrich Pestalozzis orientiert (er würdigt ihn im Gedicht „An die Erzieher des neunzehnten Jahrhunderts“), fand Falks Wirken ein großes Echo in vielen sozialpädagogischen Einrichtungen. Seiner Überzeugung nach sollten Erzieher immer auch Seelenärzte sein.
Zeugnis einer ökologisch und religiös geprägten Weltsicht
Während seiner letzten Lebensjahre entstand das „Geheime Tagebuch“, in dem das vorliegende Gedicht überliefert ist. Geschrieben wurde es nur wenige Monate vor Falks Tod im Februar 1826. Trotz einer schweren Krankheit kam ihm der Sinn für Humor kaum einmal abhanden. Die von ihm stets bewusst wahrgenommene Endlichkeit setzte er einmal ironisch in Kontrast mit einem Blick in die eigene Zukunft in hundert Jahren, indem er in einem „Nachtseufzer“ formulierte: „Wie selig wäre das Geschick / des Johannes Falk aus Danzig, / schrieben wir in diesem Augenblick / neunzehnhundertfünfundzwanzig“.
Das vorliegende Gedicht „Die Menschheit“, dem Schüler Marschall nach einer leidlich verbrachten Nacht in die Feder diktiert, wird weitgehend im Metrum fünfhebiger Trochäen zu einer Meditation menschlicher Endlichkeit. Ohne in den Predigtton zu verfallen, wendet sich das Gedicht gegen prometheische oder faustische Überheblichkeit, gegen den blinden Stolz, der sich absolut zu setzen versucht. In einem Gebot der Demut öffnet Falk den Blick für die Abhängigkeit des Menschen, für die Begrenztheit seiner Möglichkeiten. Was im Weihnachtslied als jubelnde Anerkennung „gnadenbringender“ Schöpfung gefeiert wird, nimmt sich hier als leisere Variante aus, in der es darum geht, „freudig still auf Gott zu warten“, wie es im vorletzten Vers heißt.
Aber es ist kein Traktat frommer Tatenlosigkeit, sondern das Gedicht über und an die Menschheit steht im Bewusstsein, dass jedes Werk uns immerhin halb überlassen ist. Wenn von „Engeln der Natur“ oder „Himmelswächtern“ die Rede ist, verweist das Gedicht auf die gleichwohl unsichtbar bleibende höhere Macht. Die Natur ist der Bereich, in dem sich Überirdisches und Irdisches, Unbegrenztes und Begrenztes treffen. Hundert Jahre vor Falk, in der frühen Aufklärung, hätte man von einem physikotheologischen Weltbild gesprochen, als die Ordnung des Kosmos als Erweis göttlicher Weisheit verstanden wurde. Von heute aus könnte man das Gedicht auch als Zeugnis einer zugleich ökologisch und religiös geprägten Weltsicht lesen.
Johannes Daniel Falk: „Geheimes Tagebuch 1818 bis 1826“. Aus dem Nachlass hrsg. von Ernst Schering, Stuttgart 1964. Vergriffen
Von Mathias Mayer ist zuletzt erschienen: „Macbeth. Die Erfindung der Botenstoffe“. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2024. 142 S., geb., 30,– €.
Redaktion Hubert Spiegel
Gedichtlesung Thomas Huber
Johannes Daniel Falk: „Die Menschheit“ Weimar, den 4. November 1825
Halb ist jedes Werk uns überlassen,
halb gehört es dem Himmel an;
kann der Mensch in Demut dies nicht fassen,
so verirrt er sich von seiner Bahn.
Geister schreiten still und ungesehen
mit den künftigen Geschicken uns zur Seit’,
überall im See, auf Berg und Höhen
wirken Engel der Natur ihr Kleid.
Deine Wiesen kannst durch Kunst du wässern,
daß ihr Grün den Augen wohlgefällt.
Aber kannst du auch den Quell vergrößern,
der aus Berg und Wolken niederfällt?
Wo der Erde Früchte sich erneuen,
sind auch Himmelswächter angestellt,
und versagen sie dir das Gedeihen,
frommt dir nicht, was auch dein Fleiß bestellt.
Was in unermeßlichen Gebieten
deine Hand dem Schoß der Erd’ entringt,
nimmer kannst du Sonn und Mond gebieten,
daß ihr Strahl es zur Entfaltung bringt.
Und so ist’s im Handeln aller Arten,
Weh dem blinden Stolz, der dies vergißt,
der, statt freudig still auf Gott zu warten,
Sonn’ und Mond zu spielen sich ermißt.

vor 13 Stunden
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