Auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt dreht sich an diesem Samstag kein Karussell und es wird kein Glühwein ausgeschenkt. Genau ein Jahr nach dem Anschlag, bei dem sechs Menschen ihr Leben verloren und Hunderte verletzt wurden, erinnert sich die Stadt an eine Zeit der Trauer.
Am 20. Dezember 2024 war Taleb Al Abdulmohsen mit einem Mietwagen mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde durch die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gefahren. Ein neunjähriger Junge sowie fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren kamen ums Leben. Gegen den Todesfahrer läuft derzeit der Strafprozess am Landgericht Magdeburg. Der Mann hat die Tat gestanden .
Zum Auftakt des Gedenktags kamen am Vormittag bei einem Gottesdienst in der Magdeburger Johanniskirche ein Notfallseelsorger und ein Arzt zu Wort. Sie hoben den Zusammenhalt und die große Hilfsbereitschaft an dem Anschlagsabend hervor. Eine damals Betroffene sagte: »Eins hat es uns gezeigt: Wir sind füreinander da, wir halten zusammen und stehen für uns ein. Wir lassen uns trotz der schrecklichen Tat unsere Weihnachten nicht nehmen.«
Eine Minute und vier Sekunden, in dieser kurzen Zeit habe sich alles verändert. Gerade noch hätten bunte Lichter, Karusselle, leuchtende Kinderaugen, Sorglosigkeit und Düfte von Glühwein und Gebäck das friedliche Bild bestimmt. Dann wurden durch das Fahrzeug des Täters Menschen herumgeschleudert, Chaos brach aus. »Die Schreie sind bis heute in den Köpfen«, sagte die Frau. Die Stadt aber habe das Glück gehabt, dass viele Menschen vor Ort gewesen seien, die nicht gezögert hätten, zu helfen: Passanten, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Pflegekräfte und Ärzte. »Mein persönlicher Dank geht an alle Retter.«
Bundeskanzler bei Gedenkveranstaltung
Für den Abend ist eine Gedenkveranstaltung mit Angehörigen von Opfern des Anschlags geplant. Dazu wird auch Bundeskanzler Friedrich Merz erwartet, er will eine Rede halten und einen Kranz vor der Johanniskirche niederlegen. Erwartet wird auch Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Bischof Gerhard Feige während des Gedenkgottesdienstes
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dpaDanach soll eine Lichterkette um den Alten Markt gebildet werden. Um 19.02 Uhr, zur Tatzeit vor einem Jahr, läuten die Kirchenglocken der Stadt. Der Weihnachtsmarkt bleibt über den Tag geschlossen.
Die Aufarbeitung des Anschlags läuft vor Gericht und im Landtag
Der Todesfahrer hatte eine breite Lücke zwischen Absperrungen genutzt, um auf den Weihnachtsmarkt zu fahren. Für dieses Jahr wurden die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verstärkt. Nach Diskussionen entschied sich die Stadt, den Weihnachtsmarkt wieder am selben Ort stattfinden zu lassen.
Zur Aufarbeitung des Geschehens hat der Landtag einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der sich unter anderem mit Genehmigungen und Zuständigkeiten befasst hat. Thema ist auch der Lebenslauf des Täters, der sich selbst als Aktivist für die Rechte saudischer Frauen sieht und vielfach in Konflikt mit Behörden geriet. SPIEGEL-Recherchen zeigten, dass Taleb Al Abdulmohsen schon lange vor seiner Amokfahrt auffiel: Als angeblicher Islamkritiker mit Sympathien für die AfD; als Querulant und Eremit, der sich in Verschwörungstheorien steigerte, radikalisierte und offen mit Gewalt drohte.
Bis zum Anschlag arbeitete er als Psychiater im Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter in Bernburg.
DER SPIEGEL sprach mit Roland Weber, dem Operbeauftragten der Bundesregierung. Für ihn war die Amoktat von Magdeburg sein erster Einsatz. Hier lesen Sie den Text darüber .

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